Gegessen und gesichert

Erfreulicherweise gilt mittlerweile als gegessen, dass die orale Flüssigkeitszufuhr der intravenösen in nichts nachsteht — ein echter Benefit für Kinder, Eltern und Umstehende. Wenn zum Durchfall allerdings auch noch Erbrechen kommt, ist der Mundweg schwierig.

Richtig z.B.:

Erfreulicherweise gilt mittlerweile als gesichert, dass Trinken gegenüber der Infusion keine Nachteile hat — eine echte Erleichterung für alle Betroffenen. Wenn zum Durchfall allerdings noch Erbrechen kommt, ist der Weg über den Mund schwierig.

Essen auf dem Mundweg — sicher keine schlechte Idee. Eine schöne Mixtur aus trendigem Mediendeutsch, ein paar Vokabeln, die Fachkompetenz markieren, und treuherzigen Eigenkreationen. “Umstehen” war früher in österreichischen Dialekten ein Wort für “sterben”, das kann wohl hier nicht gemeint sein, obwohl ein gut abgehangenes einheimisches Wort ein angenehmes Gegenstück zum “echten Benefit” wäre. Dieser Text will einen Sachverhalt “erklären”, doch darunter wird manchmal nur verstanden, dass ein Zielpublikum an der Wortwahl erkennen soll, dass es angesprochen wird, ohne deswegen etwas verstehen zu müssen. Vor allem dann nicht, wenn die eigentliche Information in ein paar Brocken Fachjargon ausgelagert wurde. Dies alles könnte man noch achselzuckend zur Kenntnis nehmen, doch hat sich leider ein Wort eingeschlichen, das zwar für sich gesehen zum Thema der Nahrungsaufnahme gut passt, aber dort, wo es sich niedergelassen hat, erhebliche Verwirrung stiftet.

“XY — und der Hunger ist gegessen”, lautet ein Werbeslogan, der sagen will, dass der Hunger gestillt wurde und der Teller leer ist. Eine effektvolle sprachliche Schleife, die die Beseitigung des Hungers mit der Beseitigung des Essens kombiniert. Das ist auch der umgangssprachliche Sinn dieser Wendung — etwas ist gegessen, vom Tisch, steht nicht mehr zur Debatte, ist vergessen. In unserem Beispiel scheint die Bedeutung jedoch von einem anderen Blickwinkel diktiert. “Gegessen” könnte auch dafür stehen, dass wir die angeführte Erkenntnis in uns aufgenommen, verinnerlicht haben. Sicherlich eine vom Essen metaphorisch ableitbare Bedeutung, man spricht ja auch vom “Verschlingen” eines Buches, das man mit Begeisterung liest. In der Apokalypse verschlingt Johannes das Buch aus der Hand des Engels. Doch ich bin ziemlich sicher, dass nicht die Bibel Inspiration für diese Wortwahl war, sondern ein nur schwach kontrollierter Drang nach trendiger Formulierung, die außerdem mit dem Thema spielt. Doch es hilft nichts: die übertragene Bedeutung von “gegessen” ist “erledigt”. Gängige Formulierungen sind nicht besonders “cool”. Man hat sich an ihnen ja schon längst satt gegessen. Ihr Vorteil ist, dass man sie versteht. Wer auf der Leiter ein paar Stufen höher klettert und eine Metapher erfindet, muss, um erfolgreich zu sein, seine Leser das Gesagte nicht intellektuell verstehen, sondern mit einem einzigen Griff spüren lassen. Dabei darf es keine Missverständnisse geben.