DEMWEGEN DANKEN WIR IHRER TROTZDES!

Vorbemerkung: deutsche Grammatiken lassen aus pragmatischen Gründen für die hier angeführten Beispiele zur Frage “Genitiv oder Dativ” fast durchwegs beide Varianten zu. Da sich dessen jedoch der bzw. die einzelne Schreibende oft nicht sicher ist, sind die folgenden Regeln als einfach zu merkende Wegweiser gedacht, die außerdem den Vorteil haben, sprachlich konsistent zu sein.

“Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod” betitelte der Sprachkritiker Sebastian Sick seine Buchreihe über die deutsche Sprache und die Probleme, die wir damit haben. Abgesehen davon, dass dieser Befund von anderen Kritikern unseres Sprachgebrauchs bestritten wird*, wäre er nur die halbe Wahrheit. Der Dativ ersetzt den Genitiv in seiner besitzanzeigenden Funktion, wo dieser hochsprachlich und damit negativ konnotiert ist, also in der Umgangssprache und der umgangssprachlich getönten schriftlichen Äußerung. Andererseits verdrängt der Genitiv den Dativ, wo die Hochsprache positiv konnotiert ist, nämlich dann, wenn der Text sich einen bewusst hochsprachlichen Anstrich geben will. Zum Beispiel bei “trotz” und “dank”, die sehr häufig als Genitivpräpositionen verwendet werden:

Trotz des schlechten Wetters stiegen sie auf und kamen dank ihres perfekten Regenschutzes trotzdem ans Ziel.

“Trotz” und “dank” lesen sich aber nicht zufällig wie Befehlsformen der Verben “trotzen” und “danken”. Und diese beiden verlangen, dass ihr Objekt in den Dativ gesetzt wird. Man kann die Beispielsätze ja auch anders formulieren:

Sie trotzten beim Aufstieg dem schlechten Wetter. Dass sie ans Ziel kamen, verdankten sie ihrem perfekten Regenschutz.

Auch wenn es z.B. eine Bedeutungsdifferenz zwischen “trotz” und “trotzen” gibt, liegt es nahe und ist als Orientierunghilfe sinnvoll, bei der Frage nach dem Fall, den eine Präposition verlangt, nach einem gleichartigen Verb zu suchen und den Fall zu verwenden, den dieses Verb verlangt. Fragen Sie also:

trotz — wem?
dank — wem?

Für “trotz” gibt es einen sehr einfachen Anhaltspunkt: es heißt “trotzdem” und nicht “trotzdes”. Es heißt aber auch “deswegen” und nicht “demwegen”, und trotzdem wird für “wegen” umgangssprachlich der Dativ statt des Genitivs verwendet. Hochsprachlich der Genitiv, was vermutlich in derselben Art motiviert ist wie die heute nicht mehr gebräuchliche Wendung “des Weges kommen”. Grammatisch leicht nachvollziehbar sind “infolgedessen” (infolge + Genitiv, weil etwas als Folge von etwas Früherem geschieht) und “stattdessen” (statt + Genitiv, weil etwas an der Stelle von etwas anderem steht).

Eine Reihe von Präpositionen mit Genitiv lässt noch ganz leicht den Ursprung aus einem Substantiv erkennen, dem mittels Genitiv ein anderes Substantiv zugeordnet wird. Der Genitiv kann allerdings auch durch ein weiteres Vorwort ersetzt werden:

abzüglich = mit Abzug + Genitiv
anlässlich = aus Anlass + Genitiv
anstatt / anstelle = an der Stelle + Genitiv oder von...
infolge = in der Folge + Genitiv oder von
inmitten = in der Mitte + Genitiv oder von
kraft = mit der Kraft + Genitiv
mangels = aus Mangel + Genitiv oder an
zwecks = mit dem Zweck + Genitiv

Keinerlei vergleichbare Hilfestellung besitzen wir für die Präposition “laut”. Das “Sprachgefühl”, also diese seltsame Mischung aus Sprachlogik und (möglicherweise langjährig falscher) Gewohnheit, sagt mir, dass “laut” den Dativ verlangt: “laut dem Gesetz” oder, womit man sich der Entscheidung entzieht, einfach “laut Gesetz”. Doch das widerspräche der oben vorgeschlagenen Regel. Es ist nämlich der Laut “von etwas”, den wir hier vernehmen, der (Wort)Laut einer Informationsquelle, somit der Laut “des Gesetzes”.

Überhaupt nicht klar ableitbar ist der Genitiv für Präpositionen, deren Umschreibung ausschließlich mit Vorwörtern funktioniert, wie “hinsichtlich”. Wir sehen in eine Richtung, zu etwas hin, richten unseren Blick auf etwas, daher drückt der Genitiv weder einen lokalen (“südlich des Polarkreises”) noch einen bildlichen (“anhand der Beschreibung”), sondern einen logischen Bezug aus, indem er “Hinsehen” mit dem Objekt verbindet, zu dem hingesehen wird.

*vgl. Daniel Scholten in mehreren Beiträgen auf www.belleslettres.eu