Schwester Kardinal

Der emeritierte Papst lächelte und begrüßte einige Kardinäle, darunter eine der polnischen Ordensschwestern, die lange Zeit Johannes Paul II. im Apostolischen Palast gedient hatten.

Richtig z.B.:

…und begrüßte einige Kardinäle und eine der polnischen Ordensschwestern, die lange Zeit…

Sprachliche Ökonomie ist oft eine schwierige Sache. Unglücklich gehandhabt, führt sie leicht zu Kurzschlüssen. Die Folge ist Informationsverlust, der irritiert, allerdings manchmal durch Vorwissen ausgeglichen werden kann: Es ist unwahrscheinlich, dass eine polnische Ordensschwester Kardinal geworden ist. Ohne den konkreten Sachverhalt zu kennen, nehme ich an, dass sich bei dieser Gruppe von Kardinälen auch die polnische Ordensschwester befunden hatte und zusammen mit ihnen vom emeritierten Papst begrüßt worden war. Sie aber mit den Kardinälen “mitzunehmen”, ist ein Fehler.

“Darunter” bedeutet nämlich, abgesehen vom örtlichen Hinweis (Er fand eine Falltüre und darunter einen Apfelkeller), dass z.B. eine Person zu einer Gruppe gehört — und, das ist wichtig, dass diese Person die Eigenschaft besitzt, welche diese Gruppe zu einer Gruppe macht. Zunächst wieder im räumlichen Sinn:

Mehrere Personen standen um ihn herum, darunter auch der Pfarrer und der Bürgermeister.

Aber auch im übertragenen Sinn:

Diese Aussage kritisierten tags darauf unabhängig voneinander mehrere Kardinäle, darunter A.B. und X.Y.

In unseren Beispiel überlagern einander der räumliche Bezug und der Verweis auf eine gemeinsame Eigenschaft, und es ist tatsächlich schwierig, beide unter einen Hut zu bringen, wenn man die Konstruktion mit “darunter” verwenden will. Doch wenn es explizit zwei Eigenschaften sind, die eine Gruppe definieren — hier das Beieinanderstehen und der Rang eines Kardinals —, müssen alle Mitglieder dieser Gruppe beide Eigenschaften besitzen. Vielleicht fällt der Fehler hier gar nicht so sehr auf wie zum Beispiel in diesem Satz:

Sie begrüßte eine Reihe von auffällig hoch gewachsenen jungen Frauen, darunter einen kleinen, alten Mann.

Mit “darunter” gibt es also ein Problem. Doch ist es hier überhaupt notwendig zu betonen, dass die Ordensschwester sich in unmittelbarer Nähe der Kardinäle befand? Auch in der Sprache gibt es, wie im Film, unterschiedliche Ebenen der Detaillierung und Abstraktion:

  • Der Papst begrüßte einige Kardinäle und eine polnische Ordensschwester.

Dieser Satz fasst viele kleine Handlungen zusammen, ohne örtliche oder zeitliche Details zu nennen. Aus dem Kontext wissen wir nur, dass die Beschreibung auf einen Schauplatz und eine Zeiteinheit bezogen ist. Versuchen wir einmal, eine filmische Betrachtungsweise zu Hilfe zu nehmen: Von filmischen Einstellungsgrößen ausgehend, hätten wir es dabei mit einer Art sprachlicher “Totale” zu tun, in der ein Zusammenhang von bewegten und unbewegten Objekten aus größerer Entfernung zu sehen ist. Der Unterschied zum Film ist natürlich, dass speziell als Totale das Filmbild zeigt, welchen räumlichen Bezug die handelnden Personen zueinander haben. Der zusammenfassende Satz hingegen lässt darauf keinen Schluss zu: Die Kardinäle könnten einzeln oder in einer Gruppe stehen, die Ordensschwester bei ihnen, einzeln oder in einer anderen Gruppe. Legt man also Wert auf dieses Detail der Begebenheit, muss es gesondert erwähnt werden.

  • Der Papst lächelte und begrüßte einige Kardinäle und eine polnische Ordensschwester.

Wie nahe muss man dem Papst kommen, um dieses Lächeln zu bemerken? Man könnte also zumindest von einer “halbnahen” Kameraeinstellung sprechen. Bringen wir nun die filmische “Einstellung” mit dem sprachlichen “Satz” zur Deckung: Alles passiert im selben Satz, in derselben Einstellung, und demnach findet die Begrüßung in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Lächeln des Papstes statt. Daraus ergibt sich schon von selbst die Vorstellung, dass sich Kardinäle und Ordensschwester in derselben Gruppe befinden, als sie dem lächelnden Papst begegnen.